Bergtouren im Tessin vom 7.10.-12.10.2006

7.10.2006 - Capanna d'Alva

Das Wetter schlug gerade ab Samstagmittag auf die gute Seite um, als Urs und ich mit dem PW auf dem Gotthardpass unterwegs waren. Die Berge waren bis 2000m verschneit. Nach einem Verstärkungshalt fuhren wir nach Iragna südlich von Biasca. Dort führte uns ein Strässchen weiter Hoch zur Siedlung Lègri. Auf interessantem, aber noch nassen Bergweg wanderten wir hoch zur Capanna d'Alva. Auf den einzelnen Felsstufen waren wunderschöne Rusticos vorhanden, welche einen imposanten Blick ins Leventinatal ermöglichten. Urs und ich waren nicht alleine in dieser gemütlichen Selbstversorgerhütte. Uns gesellte sich einen in der Schweiz wohnhaften weissrussischen Student und zwei "Schwaben", welche erst beim Eindunkeln zu uns stiessen. Zum Nachtessen gab es Suppe, Spätzli und auf dem Holzofen geröstete Marronis. Trotz gutem Wetter und eindrücklicher Abendstimmung war es ziemlich kalt...



8.10.2006 - Cima di Negrös

Dies war unser erster Gipfeltag. Gestern hatte ich eine Zerrung oder Ähnliches eingefahren, welche mich heute in der Bewegung einschränkte. Trotzdem nahm ich die 600 Höhenmeter unter die Füsse und stieg über den Südostgrat auf den Cima di Negrös 2182m. Leider hatte Urs keine Ferien und konnte die eindrückliche Stimmung nicht so lange geniessen wie ich. Er musste heute wieder ins Tal runter und mit dem PW nach Hause kurven. Ich machtes es mir bis gegen Mittag auf dem Gipfel gemütlich. Ich war nicht alleine, denn die zwei Bergler aus Süddeutschland, welche auch in der Capanna d'Alva übernachteten, kamen rund drei Stunden nach unserer Gipfelankunft ebenfalls nach oben. Ich stieg am Nachmittag wieder zur Hütte runter, während die andern zwei sich am Abend in der sehr einfachen Alpe Stüell mit Schlafsack das Abenteuer suchten :-) Heute Abend war ich mutterseelen alleine in der Capanna d'Alva. Es war schon ein bisschen ein spezielles Gefühl.



9.10.2006 - Val Lodrino - Forcarella di Lodrino - Alpe Fümegna

Das Val Lodrino ist sehr wild. Es ist schon erstaunlich, wie sich dieser Wanderweg am Rande des Tals hindurchschlängelt. Dieser führt über Bäche und Schluchten und es ist ein stetiges auf und ab. Mehrere Gratishöhenmeter kamen auf mich zu. Bei der Alpe Negheisc war dann Schluss mit dem Bergweg. Ich suchte mir anschliessend die optimale Route, um den Talkessel emporzusteigen und die Forcarella di Lodrino zu erreichen. Der Aufstieg war wahrlich kein Zuckerschlecken. Die Wiesen waren überwachsen, die Gebüsche waren dicht und viele grosse Felsbrocken standen im Weg. Ich kam mir oft vor wie im dichten Urwald. Am ganzen Körper und im Gesicht liessen sich Äste, Dornen und anderes Material nieder. Ich muss zugeben, ich hatte auch nicht die optimale Route erwischt. Auf dem Pass genoss ich dafür die Nachmittagssonne und die herrliche Aussicht. Ich erkannte beinahe die gesamten Walliser Viertausender und viele Berner Gipfel. Die österreichische und italienische Seiten waren ebenfalls sehr eindrücklich, nur kannte ich mich dort weniger aus. Nach dem Genuss nahm ich mir die restlichen Höhenmeter zur Alpe Fümegna unter die Füsse. Diese ist offizielles Etappenziel der ersten Etappe der Via alta della Verzasca. Bei dieser Selbstversogerhütte, welche deutlich mehr Komfort bietet als die Cap. d'Alva, traf ich wieder andere Gäste: Eine Familie aus der Ostschweiz und Werner und seiner Frau aus dem Raum Zürich. Mit der Familie klopfte ich einen Jass und genoss das kühle Bier. Da ich die Suppe für vier Personen zubereitete, durfte ich beim Risotto mithelfen :-)



10.10.2006 - Poncione Rosso

Es war ein eher gemütlicher, aber auch ein anspruchsvoller Tag. Es war vielleicht das Highlight dieser Woche: Der Poncione Rosso. Dieser Gipfel schmückt in diversen Führern und Literaturen die Titelseite. Vor allem von der Nordseite her thront er mächtig in die Höhe. Am Morgen verliess ich die Alpe Fümegna und stieg wieder auf die Forcarella di Lodrino, welchen Pass ich bereits gestern überschritten hatte. Dort gönnte ich mir eine letzte grosse Pause vor dem Sturm. Die Route auf den Poncione Rosso ist blau-weiss markiert, ist aber eindeutig ein T6. Vor der ersten Schlüsselstelle musste ich erst einmal leer Schlucken. Geneigte Platten in abschüssigem Gelände waren auf Reibung zu traversieren. Kaum ein schlauer Griff war vorhanden. Ich musste mir zuerst eine Mutpause einlegen, bevor ich dieses Stück meisterte. Anschliessend ginge es recht flott dem Gipfel entgegen. Die Aussicht auf dem Gipfel war gewaltig. Eine Stunde lang genoss ich die verdiente Mittagspause, bevor mir dann die eigentliche Schwierigkeit bevorstand. Der Abstieg hatte es in sich. Abklettern in plattigem Gelände und zwischendurch rutschige Kombinationen von Grasbüschel und Dreck. Ich war wirklich froh als ich unten beim Pass ankam. Das letzte Teilstück zurück zur Alpe Fümegna war im Eiltempo gemacht. Heute lernte ich neue sehr nette Personen kennen: Zwei in Zürich lebende Holländer (Douwe und Barbara), ein junges Pärchen aus Zürich (Yves und ..., mit den Namen happerts ein bisschen) und Tom Rohrer (Bergführer aus der Innerschweiz) mit einem Gast. Das heisst, Tom kannte ich schon durch den SAC Pilatus. Mit Bier und Wein gab es einen geselligen Abend.



11.10.2006 - Via alta della Verzasca, 2. Etappe

Die heutige Strecke war die längste und führte über insgesamt vier Gipfel und schöne, zum Teil luftige Gräte. Ich unternahm diese Etappe zusammen mit Douwe und Barbara, welche auch in der Hütte übernachteten. Die Route führte über die Gipfel Cima Lunga, Cima di Rierna, Cima del Rosso und Cima di Gagnone. Der Cima di Bri wurde ausgelassen. Die lange Gratbegehung ermöglichte eine stetige Rundsicht. Nach dem Cima di Gagnone verabschiedeten sich Douwe und Barbara, welche sich ins Tal begaben. Ich traf um 16.30 Uhr in der Capanna d'Efra ein. Wir waren total zu fünft. Ich kannte die andern bereits von den Vortagen in der Alpe Fümegna. Es war ein angenehmer Abend.



12.10.2006 - Abstieg durch das Val d'Ambra

Der Abstieg vom Passo del Gagnone durch das Val d'Ambra war länger als die Polizei erlaubt. Insgesamt waren mit Gegenanstiegen etwa 2200 Höhenmeter Abstieg zu bewältigen. Hinzu kam die sehr grosse horizontale Distanz. Ich wanderte bis Bodio im Leventinatal. Von dort wurde ich mittels Autostopp nach Biasca chauffiert. Mit der Heimfahrt vom Tessin gingen unvergessliche Wandertage zu Ende. Das Wetter hätte nicht besser sein können und die Herbstfarben liessen keine Wünsche offen! Es hat gerockt :-)